Exkursion durchs Dosenmoor

Dieser Exkursionsbericht von Christian Koppitz entstand am 20. Mai 2008 und wurde zur Verfügung gestellt. Der mit Einfeld verbundene Autor hat sich die Mühe gemacht, sehr ausführlich zu schreiben und seine über die Exkursion hinausgehenden Erfahrung im Naturschutzgebiet mit einfließen zu lassen. Der Text skizziert die schönsten Arten des Frühjahres im Dosenmoor. Seiner Erfahrung nach ist die Zeit zwischen Ende März und Anfang Mai, die beste Zeit für Exkursionen dort, was aber nicht heißen soll, dass die anderen Jahreszeiten nicht Lohnenswert sind.

"Unsere Exkursion beginnt am Westlichen Rand (am Parkplatz) des Gebietes. Hier hat man einen guten Überblick über die beweideten Randwiesen des Moores. Wunderschöne Charakterart der Flächen ist der Neuntöter, der hier mit mehreren Brutpaaren vorkommt, und somit in den Sommermonaten eine garantiert zu beobachtenden Art ist. Im Winter, wenn der Neuntöter im afrikanischen Winterquartier verweilt, sind diese Reviere meist durch Raubwürger besetzt. Die Vögel präsentieren sich uns, wie für diese Art üblich, exponiert auf allein stehenden Sträuchern. Neben dem bunten Männchen erscheint nach einiger Zeit auch das sehr viel schlichter gefärbte Weibchen. Beide sind so zutraulich, dass sie auch ohne Spektiv gut zu beobachten sind. Auf dem Hauptweg (Hauptdamm) angekommen, fallen sofort die Wollgräser ins Auge, die um diese Zeit mit ihren flauschigen Fruchtständen ein zauberhaftes Bild abgeben.

Nächste Station ist für uns der Bohlenweg, der nördlich des Hauptweges über diverse Handtorfstiche führt. Der Weg ermöglicht Besuchern die Pflanzenarten des Hochmoores aus nächster Nähe zu betrachten. Wenn man die Strecke vom Hauptdamm aus beginnt, fällt zuerst das bläulichgrüne Laub des Sumpfblutauges in den wassergefüllten Schlenken des Handtorfstiches rechts des Bohlenweges auf. Diese, in Schleswig Holstein als gefährdet geltende Pflanze, gehört, als Bewohnerin saurer Schlammböden zu den Klassikern Norddeutscher Moor- und Heidelandschaften. Historisch als Gerber- und Färberpflanze verwendet, ist das Sumpfblutauge darüber hinaus eine typische „Neumünsteranerin“.

Typisch für Hochmoore sind die Fleisch fressenden Pflanzen. Vom Bohlenweg aus lassen sich zwei verschiedenen Arten beobachten. Der Rundblättrige Sonnentau wächst flächendeckend in den Torfmoospolstern des Handtorfstiches. Man erkennt ihn aus der Ferne an den roten Stängeln und den Blatträndern der Pflanze. Genau hingesehen erkennt man an den Blättern die Fangtentakel, mit dem die Pflanze kleine Fluginsekten fängt um sie anschließend zu verdauen. Schwieriger zu finden ist der Kleine Wasserschlauch, die Pflanze schwimmt ohne mit einer Wurzel im Boden verankert zu sein in den offenen Wasserflächen des Torfstiches. Der Wasserschlauch fängt mit seinen kleinen Fangblässchen Zooplankton (Wasserflöhe etc.) aus dem Moorwasser und versorgt sich somit, mit dem im Moorwasser kaum vorhandenen Stickstoff. Am Besten findet man Wasserschlauch während der Blütezeit im Juni, dann streckt die Pflanze einen mehreren Millimeter großen Blütestand aus dem Wasser an dem kleine orchideenartig anmutende, schwefelgelbe Blüten zu sehen sind. Dies macht Pflanze, da sie trotz ihrer aquatischen Lebensweise auf die Fremdbestäubung von Landinsekten angewiesen ist.

Weitere Interessante Pflanzenarten sind neben den verschiedenen Wollgräsern, auch die zahlreichen Zwergsträucher die Rechts und Links des Weges wachsen. Auf den trockenen Torfflächen links des Weges finden sich Beispielsweise ein paar Exemplare der Krähenbeere und Besenheide, beides sind typische Pflanzen trockener Moorstandorte und Heideflächen. Erstere hat ihren Namen von den tiefschwarzen Beeren, die gerne von verschiedenen Vögeln gefressen werden. Auf Sylt, wo die Art in großer Zahl die Dünentäler besiedelt, können die Insulaner aufgrund des intensiven Farbstoffes in den Beeren zur Fruchtzeit keine weiße Wäsche aufhängen, da die Farbe den Verdauungstrakt der Vögel unbeschadet übersteht und der Vogelkot somit zur gefährlichen Farbbombe, für die geliebten Kleidungstücke wird.

Auf den Torfmoospolstern findet obendrein ein großer Bestand der Glockenheide und vereinzeln auch die seltene Rosmarinheide. Anders als ihr Name vermuten lässt, handelt es sich bei der Rosmarinheide um eine starke Giftpflanze, die ihren Namen lediglich von der Ähnlichkeit des Laubes mit dem beliebten Küchengewürz gemein hat. Klein und unscheinbar, aber umso eindrucksvoller ist die kleinste Strauchart Europas, die Moosbeere, die auf den Torfmoospolstern reichlich vorhanden ist. In langen, gerade man 5 mm hohen verholzten Ranken schiebt sich der Zwerg über das Moos. Im Mai blüht das Pflänzchen mit kleinen rosa Blüten, später im Jahr erscheinen dann, die im Vergleich zur Pflanze wahrlich riesigen Beeren der Pflanze, gut 2 cm fassen die Durchmesser der Fruchtkörper des Pflänzchens und überragen damit ihre Mutter um das vierfache. Die Art ist eng mit der amerikanischen „Cranberry“ verwand, die in den letzten Jahren als Müslizusatz in Europa bekannt geworden ist. Sie ist ebenfalls essbar, sollte aber aufgrund ihrer Seltenheit eher geschont werden.

Der Bohlenweg eignet sich zudem als ausgezeichneter Ort für die Beobachtung von Reptilien und Amphibien. Gerade an eher kühlen Tagen nutzen viele Waldeidechsen, Blindschleichen und mit Glück auch Kreuzottern die warmen Holzplanken als Wärmebänke. Da die Tiere auf Erschütterung mit Flucht reagieren, sollte man sich möglichst geräuschlos auf den Bohlen bewegen. Auch hat sich bewährt mit einem Fernglas den Bohlenweg in weiter Ferne abzusuchen, sind Tiere vorhanden, lohnt es sich anzuschleichen um einen näheren Blick auf die Kriechtiere werfen zu können. Neben Reptilien nutzten auch die Gerandeten Jagdspinne die Bohlenwege für das Tanken von Wärme. Diese Spinnenart gehört zu den größten Spinnen Mitteleuropas und gehört als Wolfsspinne zur unmittelbaren Verwandtschaft der Taranteln des Mittelmeerraums. Anders als ihre südliche Verwandtschaft sind Gerandete Jagdspinnen für den Menschen vollkommen harmlos und gehören obendrein durch ihre lebhafte Zeichnung zu den schönsten Spinnenarten unserer Gefilde. Wer die Spinnen beobachten möchte, sollte auf ähnliche Weise wie bei den Reptilien leise und vorrauschauend über die Planken laufen, um die Tiere nicht zu verjagen.

Neben den vielen Pflanzenarten gelingt uns an dem Tag leider relativ wenig, so zeigen sich weder Eidechsen, noch finden wir die sonst um diese Jahreszeit so häufigen Jagdspinnen auf den Bohlen. Die sonst so seltenen Moosjungfern, wie Nordische Moosjungfer und Kleine Moosjungfer, die sich Massenhaft auf dem Holz des Weges tummeln, sind eindrucksvoll genug. Eine Entschädigung erhalten wir bei unserer Rückkehr auf dem Hauptweg des Moores. In ca. 300 Meter Entfernung, sitzt auf einer einzelnen Birke ein Männchen des Sibirischen Schwarzkehlchens oder Pallas Schwarzkehlchens, einer in Mitteleuropa selten zu beobachtenden Schwesternart des Schwarzkehlchens. Scheinbar scheint die Unterscheidung der beiden Arten selbst den Vögeln schwer zu fallen, da unser Männchen die ganze Zeit, beharrlich mit einem Weibchen der mitteleuropäischen Verwandtschaft flirtet. Umrahmt wird dieses schöne Bild von den Rufen zahlreicher Kraniche, die sich aber leider nicht zeigen wollen.

Ein großer Vogel, der am Horizont der Hochmoorfläche auftaucht, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung durchs Fernglas als Weißstorch. Weiter auf dem Hauptweg Richtung Osten, tauchen mit einem Mal vier Baumfalken auf. Die Tiere, die sich um diese Zeit auf der Moorfläche auf die Libellen spezialisieren, zeigen uns eine eindrucksvolle Flugjagd auf die Insekten. Mit großer Geschicklichkeit jagen die Vögel die gewandten Insekten in der Luft und verspeisen sie ohne sich dabei niederzusetzen. Vertieft in ihr Geschäft kommen die Falken teilweise sehr nah an ihre Beobachter heran und bieten somit dann eindrucksvollsten Anblick im Jahresverlauf des Dosenmoores. Die Zeit der Baumfalken im Moor ist gekoppelt an den Flug der Moosjungfern, ist dieser Ende Mai beendet bekommt man die Falken nur noch sehr selten zu Gesicht. Neben den Baumfalken sind in den letzten Jahren auch immer einzelne Exemplare der hochbedrohten Rotfußfalken im Moor aufgetaucht, eine Art die man also bei seinen eigenen Moorexkursionen immer im Hinterkopf haben sollte.

Auf der Hochmoorfläche sind außerdem viele Kleinvögel zu beobachten, neben den schon erwähnten Schwarzkehlchen ist auch das Braunkehlchen ein häufiger Brutvogel des Moores. Wer die beiden Arten beobachten will, sollte auf den baumfreien Hochmoorflächen auf einzelne Kleinvögel in den einzelnen Moorbirkensträuchern oder anderen Erhebungen, wie z. B. Holzpfähle, etc. achten. Eine weitere Art, die hier häufig beobachtet werden kann ist der eher schlicht gefärbte Wiesenpieper. Im Frühjahr markieren die Männchen ihr Revier durch auffällige Singflüge. Sie steigen laut piepend in einem rasanten Rüttelflug in die Höhe und lassen sich dann in Höhen von 30–100 m in einem Segelflug zurück auf den Boden gleiten. Im baumreicheren Südteil des Moores kann man überdies den Baumpieper beobachten, der seinen Singflug im Unterschied vom Wiesenpieper meist von Singwarten wie Bäumen oder Stümpfen aus startet. Unsere nächste Station sind die ausgedehnten Niedermoorwiesen am Ende des Hauptdammes, die auffälligste Bewohnerin der Flächen ist schon seit einiger Zeit immer wieder zu hören. Vom Himmel ertönt ein monotones Stakkato, immer wieder unterbrochen durch ein lautes Meckern.

Den Blick zum Himmel gerichtet fällt uns ein etwa amselgroßer Vogel auf, der mit hektischen Flügelschlägen und rasanten Zickzackflug über unseren Köpfen fliegt. Das es keine Amsel ist, erkennen wir schnell an dem fast körperlangen Schnabel des Tieres. Die Art, die hier unsere Aufmerksamkeit erregt, ist zweifellos eine Bekassine. Der kleine Schnepfenvogel nistet vor allem in den Randbereichen des Naturschutzgebietes, mit dem langen Schnabel stochern die Tiere Würmer und Insektenlarve aus den Torf- und Schlammflächen des Moores. Das auffällige Meckern, das die Tiere bei der Flugbalz äußern, wird erzeugt, durch die hinteren Steuerfedern. Abgespreizt, wehen diese im Wind und führen zu dem Laut, der der Bekassine den Namen Himmelsziege eingebracht hat. Bekassinen sitzen, wenn sie nicht gerade ihre Reviere durch die beschriebene Flugshow abgrenzen, meist auf erhöhten Warten (Zaunpfähle) ihrer Reviere. Wer die Tiere also entdecken will, sollte mit dem Fernglas in den Randwiesen des Moores jene exponierten Stellen mit dem Fernglas systematisch absuchen.

Am Ende des Hauptdammes biegen wir rechts ab (Richtung Blocksberg-Großharrierweg). Die nächste Station ist der Löschteich, der nach ca. 500 m rechts vom Feldweg erscheint. Neben einem ausgedehnten Beinwellbestand, der Jahr für Jahr einer stattlichen Anzahl von Frühjahrspelzbienen und Hummelköniginnen Nahrung bietet ist diese Stelle der Beste Ort im Gebiet um Ringelnattern zu beobachten. Die Schlangen jagen hier im fortgeschrittenen Frühjahr vor allem die reifen Kaulquappen der Erdkröte, die in großen Schwärmen an der Oberfläche des Gewässers schwimmen. Auch hier kommt es auf Geduld und Vorsicht an. Wer die Schlangen beobachten möchte, sollte sich einfach an den Rand des Gewässers stellen und eine Weile still abwarten. Meist erscheinen nach kürzester Zeit Schlangen aus den Weidengebüschen des Teiches, greifen sich eine Kaulquappe aus dem Schwarm und verschlingen die Beute an Ort und Stelle. An dieser Stelle eine wichtige Randbemerkung. Die Bereitstellung von Informationen wie dieser im Internet, funktionieren nur so lange, wie Menschen verantwortungsvoll mit den Informationen umgehen und den Tieren keinen Schaden zufügen. Darüber hinaus stehen Ringelnattern, wie alle Reptilien, unter Artenschutz. Das Fangen oder Töten der Tiere ist eine Straftat, die mit Geldstrafe geahndet wird.

Wir machen an dieser Stelle kehrt und folgen zurück Weg Richtung Bordesholm (Himmelsrichtung Norden). Die Wiesen rechts und links vom Moor sind Nahrungsrevier der Kraniche, so dass auch hier ein absuchen mit Ferngläsern lohnenswert erscheint. Gleichzeitig kann man mit etwas Glück auf den Wegen gerade in der Nähe des Waldes auf Blindschleichen stoßen, die hier leider viel zu oft unachtsamen Fahrradfahrern zum Opfer fallen. Die trägen Tiere sind nicht in der Lage schnell genug vor einem sich nähernden Fahrrad in Deckung zu schlüpfen und werden somit oftmals überfahren. Wenn man eine Blindschleiche entdeckt, sollte man also nicht scheuen das Tier im vorderen Bereich des Körpers auf die Hand zu nehmen und in das Gras des Wegrandes zu setzten, die vollkommen harmlosen und liebenwerten Tiere können sich dann schnell in Sicherheit begeben und entgehen somit einem grausamen Tod.

Dem Rundweg folgend, kommt man bald an Einzweiger in das Moor. Am Wegrand findet man hier nach ca. 200 Metern ein paar Pflanzen des Englischen Ginsters, einer typischen Pflanze trockener Heidestandorte. Die Pflanzen erreichen gerade mal eine Höhe von 30 cm und sind damit nicht zu vergleichen mit den strauchartigen Gartenformen des Besenginsters. Da Heidelandschaften selten geworden sind, steht diese Pflanze auf der Rotenliste der gefährdeten Arten. Der Weg, wird hier rechts und linken Seite gesäumt wird von kleinen wassergefüllten Torfstichen, in denen ausgedehnte Bestände der Sumpfcalla wachsen. Die Sumpfcalla erinnert stark an das Schaublatt einer beliebten Zimmerpflanze auf der Fensterbank, ähnlich dieser Art bildet auch die Sumpfcalla eine weiße Sparta aus, die Bestäuber auf den Pollenkolben der Pflanze locken soll. Anders als bei den meisten Pflanzen wird die Sumpfcalla nicht von Insekten, sondern von Schnecken bestäubt, was eine Anpassung an den sehr feuchten Standort der Pflanzen darstellt.

Später im Jahr, entwickelt sich aus dem Kolben eine weithin rot leuchtende Traube aus giftigen Beeren. Die Pflanze, die typisch ist für die Ränder von Hochmoorgebieten gehört zu den großen botanischen Besonderheiten des Dosenmoors, da im gesamten Bundesgebiet nur noch weniger Standorte dieser Art dokumentiert werden können. Dem Weg weiter folgend erreicht man bald eine aus Torf aufgegrabene Aussichtsplattform, uns gelingt von hier oben die Beobachtung eines Kuckucks, eine Art die im Dosenmoor oft und gut zu sehen ist, da zum einen viele Wirte wie Braun- und Schwarzkehlchen vorhanden sind, zum anderen die baumlosen Flächen wenig Deckung für den sonst eher heimlichen Vogel bieten.

Weiterhin sind von der Plattform mit etwas Geschick, die wenigen größeren offenen Wasserflächen des Moores einzusehen. Hier kann man mit etwas Glück, Krickenten zu sehen bekommen. Diese kleinste Ente Europas gehört, zu den typischen Brutvögeln des Dosenmoores, die Tiere verteilen sich jedoch überwiegend auf den nicht einsehbaren Wasserflächen im Südteil des Moores. Eine weitere Art, die hier mit etwas Glück zu beobachten ist, ist der Zwergtaucher der auch mit mehreren Brutpaaren im Naturschutzgebiet brütet. Dieser sehr scheu Vogel fällt vor allem durch seine lauten Trillerlaute im Frühjahr auf, ist aber selbst dann meist so gut in Randvegetation versteckt, dass eine Beobachtung schwerfällt. Neben der eindrucksvollen baumlosen Hochfläche des Moores und den vielen ungewohnten Gesängen und Rufen ihrer Bewohner, bietet uns das Dosenmoor auch dieses Mal, eindrucksvolle Beobachtungen, die im Kopf bleiben werden."


Quellen: (1.) Christian Koppitz - Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung (DJN) - *c.koppitz(at)gmx.net* (2.) Informatione über DJN unter www.naturbeobachtung.de (3.) Das Titelfoto stammt aus dem Jahr 2014 und wurde von *rue_ma_einfeld* zur Verfügung gestellt.